Jan 18, 2008

art, science & business/dialog: Jean-Pierre Lefebvre

Datum: Jan 18, 2008, 20:00 Uhr

Dauer: Jan 18, 2008

Ort: Akademie Schloss Solitude

Jean-Pierre Lefebvre
»Perversität und Barbarei einer fetischistischen Norm: Karl Marx und die Ware als sinnlich übersinnliches Ding«

Die Produktion immaterieller Güter hat die Produktion materieller Güter heute längst überholt. Und man sollte meinen, dass mit dieser Entmaterialisierung der Tauschgegenstände zu Dienstleistungen, Wissen und Kulturprodukten der Kult um die Dinge – der »Fetischismus« – langsam verschwinden würde. Betrachtet man jedoch den Konsumkreislauf näher, so stellt man das Gegenteil fest. Hin und her gerissen zwischen Wissen und Wissensverweigerung, kritisiert der Konsument zum einen scharfsinnig die Verführungsstrategien des Marktes, zum anderen ist er einer masochistischen Liebe für die Lügenmärchen des Marketings verfallen. Allerorten regiert das Ideal in Form von Ikone und Design. Kurzum, die freudo-marxistische Kritik am Fetischismus hat ihr Ziel verfehlt.

Für diejenigen jedoch, die die gegenwärtige Form der Ware erforschen, bleibt Karl Marx der absolute Meister. Er greift den Drachen »Ware« an und entziffert das, was er die »Wertform« nennt. Die Form jeglicher Werte, ob materiell oder geistig. Lesen wir die marxistische Theorie der Ware noch einmal, aber lesen wir sie als das, was sie ist: Ein Märchen, das uns wie alle anderen Märchen auch ins Herz der Wirklichkeit führt.

Jean-Pierre Lefebvre (*1943 in Boulogne-sur-Mer/Frankreich) studierte Germanistik und Philosophie in Lille und Paris. Von 1965 bis 1967 lehrte er am Romanischen Seminar der Universität Heidelberg. Zurzeit ist er Professor für Germanistik an der École Normale Supérieur in Paris. Er veröffentlichte u. a. Artikel und Bücher zu Heine, Hölderlin und Goethe und übersetzte Prosa und Lyrik namhafter Autoren ins Französische, wie zum Beispiel »Hyperion« von Friedrich Hölderlin (2005), »Lenz« von Georg Büchner (2007) und »Schneepart« von Paul Celan (2007). Momentan arbeitet er an der Übersetzung von Freuds Die Traumdeutung.

Eine Kooperation mit dem Collège international de philosophie in Paris im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Fetisch + Konsum«.