Jan 9, 2024

Vergabe des Marie-Zimmermann-Stipendiums für Dramaturgie an Philipp Schaus

Philipp Schaus. Foto: Julia Franken

Philipp Schaus. Foto: Julia Franken

Das von Friedrich Schirmer 2008 initiierte Marie-Zimmermann-Stipendium für Dramaturgie wurde in einem mehrstufigen Auswahlverfahren vergeben. Einstimmig sprach sich die Jury in diesem Jahr für den Tanzdramaturgen Philipp Schaus aus.

Im Andenken an die 2007 verstorbene Dramaturgin und Festivalmacherin Marie Zimmermann stiftete der ehemalige Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, Friedrich Schirmer, erstmalig im April 2008 ein Stipendium zur Förderung eines/einer Nachwuchsdramaturg*in aus der deutschsprachigen Theaterszene, welches durch die Akademie Schloss Solitude organisiert und vergeben wird. Seit 2019 wird das Marie-Zimmermann-Stipendium für Dramaturgie aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg finanziert. Das Stipendium richtet sich an Dramaturg*innen aus dem deutschsprachigen Raum und ist einzigartig in der Landschaft der Artist-in-Residence-Programme. Es umfasst ein Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro und ist mit einem zweimonatigen Aufenthalt in einem möblierten Wohn-/Arbeitsstudio an der Akademie Schloss Solitude verbunden.

Für das Stipendium ging in diesem Jahr eine hohe Anzahl von hervorragenden Bewerbungen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum ein. »Die Bewerbungen zeigen, wie heterogen, umfassend und reichhaltig aktuell das Feld der Dramaturgie ist – mit den in ihm anzutreffenden diversen (Selbst- )Verständnissen, Arbeitsaufgaben, brennenden Fragestellungen und daraus resultierenden Verantwortungen.« Das Auswahlverfahren durch die dreiköpfige Jury – bestehend aus Sarah Israel (freischaffende Dramaturgin und Kuratorin), Friedrich Schirmer (Co-Intendant der Württembergischen Landesbühne Esslingen) und Dieter Ripberger (Co-Intendant des Instituts für theatrale Zukunftsforschung (ITZ) im Tübinger Zimmertheater) erfolgte in zwei Stufen. In einer ersten Jurysitzung wurden sieben Kandidat*innen ausgewählt, die in einer zweiten Stufe von der Jury zu Einzelgesprächen eingeladen wurden.

Die Jury entschied sich einstimmig für den Tanzdramaturgen Philipp Schaus (geboren 1988). Schaus studierte Theaterwissenschaft im Master an der Freien Universität Berlin (2015–2018) und absolvierte zuvor den Bachelor of Arts (Philosophie-Künste-Medien) an der Universität Hildesheim. Seit 2018 arbeitet er am tanzhaus nrw in Düsseldorf, zunächst als Projektkoordinator für iDAS NRW und Assistenz der Intendanz, seit 2020 als Dramaturg.

Als Begründung für die Vergabe des Stipendiums an Philipp Schaus schreibt die Jury: Philipp Schaus hat uns mit seinem Ansatz überzeugt, organisationssoziologische Beobachtungen und Körperpolitiken als Felder dramaturgischer Praktiken des »nicht Wahrnehmbaren« in den Blick zu nehmen. Im Rahmen seines zweimonatigen Aufenthalts an der Akademie Schloss Solitude möchte er den Austausch mit den internationalen Stipendiat*innen dazu nutzen, eine Toolbox zu entwickeln, die institutionelle Wirksamkeit für alle Bereiche der Darstellenden Künste entfalten soll. Schaus fragt: »Welche Toolbox brauchen Dramaturg*innen, um die Bereiche des nicht Wahrnehmbaren in transdisziplinären Arbeits- und Kooperationsprozessen aufzuspüren und zu bearbeiten, um die Lücken, Brüche und Leerstellen zwischen Institution und Inhalt zu füllen?« Dieser Forschungsfrage liegt ein Verständnis von Dramaturgie zugrunde, das genuin künstlerische Aspekte insbesondere auch mit kunsttheoretischen und kulturpolitischen Fragen aus transdisziplinärer und transkultureller Perspektive verknüpft. Die Jury ist der Ansicht, dass das spezifische Feld der Tanzdramaturgie fruchtbare Beobachtungen für das Feld der Dramaturgie allgemein verspricht, das vom Theoriewissen der Aesthetics of Access künftig noch stärker profitieren kann und sollte.

Wir gratulieren Philipp Schaus, dem das Stipendium nicht nur für seinen kulturphilosophischen Ansatz zugesprochen wird. Seine berufliche Vita, die im Studium der Philosophie und der Theaterwissenschaft ihr theoretisches Fundament baut, und in Verbindung mit der Praxis der Tanzdramaturgie im tanzhaus nrw in verschiedenen Funktionen zu einer generalistischen Perspektive heranreift, hat die Jury gleichermaßen beeindruckt.